Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln

Indische Lokomotive
Dampf-Lokomotiven waren in Indien sehr lange der Standard.

Je weiter man sich von Europa entfernt, um so abenteuerlicher werden die öffentlichen Verkehrsmittel.
Während bei den Zugfahrten meist kein sehr großer Unterschied zu innereuropäischen Bahn-Fahrten besteht (lässt man veraltetes Gerät, fremde Sitten und die vielen Passagiere einmal außer Acht), sieht es auf der Straße anders aus.

Bereits in Afghanistan beginnen die Busse fünf statt der bis dahin üblichen vier Sitzreihen aufzuweisen, auch die Beinfreiheit nimmt ab und die Polsterung ist nur noch bei Luxusbussen vorhanden, die billigen bieten Holzsitze.
Über dem Khaiberpass beginnen die Busse auch Passagiere auf dem Dach zu transportieren und auch auf dem Mittelgang lassen sich die Fahrgäste nieder.
Öfter passieren in Indien Unfälle, weil irgendein Kerl, um illegal Strom aus dem Netz zu zapfen, eine Leitung über die Straße spannt und diese zu niedrig verlegt, was dann allen Passagieren auf dem Dach das Leben kostet. Unter anderem deshalb nehmen die Busfahrer keine Europäer auf dem Dach mit, solch ein Unfall könnte dann nämlich den Job kosten.

Verunglückter LKW in der Sahara
Verunglückter LKW in der Sahara, etwa 50 Meter unter einem steilen Abhang.

Überhaupt, die Sicherheit.
Auf stark befahrenen Überlandverbindungen ist es nichts allzu Ungewöhnliches wenn einem in dunkler Nacht ein überholender, unbeleuchteter LKW entgegenkommt, die Sterne geben ja auch Licht.
Es gilt das Recht des Stärkeren.

Ich kann mich erinnern, daß ich bei einem Überholmanöver unseres Busses in Bangladesch ein entgegenkommendes, mit zwei Personen und einem großen Farbeimer besetztes Moped bemerkte. Die einzige Reaktion unseres Fahrers auf der sehr engen Straße bestand darin zu hupen. Dann war das Moped auch schon so nahe, daß ich es nicht mehr sehen konnte.
Ich erwartete das hässliche Geräusch eines Aufpralls.
Statt dessen sah ich aber das verzerrte Gesicht eines Mannes an meinem Fenster vorbei, im Hintergrund das Moped und den Farbeimer durch die Luft fliegen. Es war dem Mopedfahrer anscheinend doch noch gelungen, im letzten Augenblick sein Fahrzeug von der Straße in den Graben zu lenken.
Wie der Flug in die Reisfelder unseren Kontrahenten bekommen war, weiß ich nicht, da das Ganze für unseren Fahrer kein ausreichender Grund war, anzuhalten. Auch die anderen Passagiere boten nur gleichgültige Gesichter.

Ein anderes fliegendes Moped ist mir aus Zentralafrika in Erinnerung geblieben, dort hätte unser Fahrer eventuell nach dem Unfall angehalten, er konnte jedoch nicht, da unser Fahrzeug keine funktionierende Bremse hatte und nur per Motordrosselung zum Stehen gebracht werden konnte - was denn auch den Unfall ausgelöst hatte.

Bus in Nepal
Postbus mit dem Autor in Nepal

Auch Reifen sind eine Erwähnung wert. Wer schon einmal mit Linienbussen in den oft mehrere hundert Meter steil oder gar fast lotrecht abfallenden Berghängen des Himalaya unterwegs war, weiß weshalb die Fahrer für ihre Lieblingsgötter, oft ist es Ganescha oder Hanuman, einen kleinen Altar an der Windschutzscheibe errichtet haben.
Die Hilfe der Götter wird durch den Zustand der Räder benötigt.
Es ist nicht unnormal, wenn ein Reifen eine oder gar mehrere handtellergroße Stellen hat, an denen nicht nur kein Profil (denn dann wäre der Reifen ja noch so gut wie neu) sondern gar kein Gummi mehr hat, so daß der Leinwanduntergrund zu sehen ist. Diese Stellen sind dann vermutlich von innen mit Blech abgedeckt, trotzdem sind natürlich Reifenpannen demzufolge häufiger als Tankstopps und auch solche Reifen die zerfetzt sind, werden noch in den indischen Werkstätten repariert, indem man sie mittels verschraubter Stahlplatten wieder zusammenheftet.

Das alles geht natürlich auf Kosten der Geschwindigkeit.
So erlebte ich auf der Busfahrt von Parapat ins weniger als 600 Kilometer entfernte Bukkitingi auf Sumatra 6 Reifenwechsel und -reparaturen in 36 Stunden Fahrzeit auf einer relativ guten, geteerten Straße und das bei nur einem einzigen Fahrer, der keine Minute Schlaf hatte. Und die Straße führte mitten in der Nacht über einen hohen Paß...

Der Bus nach Bukkitingi
Der beschriebene Pannen-Bus nach Bukkitingi

Eine rühmliche Ausnahme bietet Thailand. Die großen Städte sind sogar durch Linien mit klimatisierten Komfort-Bussen verbunden und alle, auch die billigen unklimatisierten und sogar die Kleinbusse, Toyota-Pritschenfahrzeuge mit längs angeordneten Sitzbänken auf der Ladefläche, die den Nahverkehr bis ca. 200 Kilometer bedienen, sind anständig bereift.

Jeepneys in Manila
Jeepneys im dichten Verkehr von Manila

Eine Besonderheit bieten die Philippinen mit ihren Jeepney's. Diese bestehen aus ausgemusterten US-Army Jeep's, die quer mit Schneidbrennern in zwei Teile zerlegt werden. Dann werden ca. zwei Meter lange Rahmenstücke angeschweißt, das hintere Jeepstück ebenfalls mit der Rahmenverlängerung verschweißt und eine Karosserie um das Verlängerungsstück gebastelt.
Auf der nun etwa drei Meter langen Pritsche wird nach Art der thailändischen Pick-Up's ein Dach und Sitzbänke in Längsrichtung eingebaut - fertig ist ein Passagierfahrzeug, das für die unbefestigten Straßen bestens geeignet ist.

Solange der Fahrer keine Niete ist.
Mit Schrecken erinnere ich mich der Fahrt von Puerto Princesa nach dem ca. 180 Kilometer entfernten Guigol am Malampaya Sund auf Palawan, die einen ganzen Tag währte. Es war Taifunsaison und demzufolge waren die ungeteerten Wege verschlammt.
Unser junger Fahrer, ein Möchtegern-Schumi, hatte ein unheimliches Gespür dafür, stets die tiefsten und weichsten Schlammlöcher zu finden, in die er dann zielstrebig unser Jeepney lenkte.
Ich weiß nicht mehr, wie oft wir Passagiere das Fahrzeug im Urwald oder in den Feldern aus dem Schlamm schieben mussten, aber es war sehr sehr oft und alle waren wir von oben bis unten mit Schlamm besudelt.

Reifen eines indischen Vehikels
Die profillosen Reifen eines indischen Vehikels

Die originellste Art einen Bus bis zum Geht-nicht-mehr mit Passagieren vollzustopfen habe ich in Kamerun am Beginn meiner allerschrecklichsten Fahrt, von Yaounde nach Bangui, erlebt

Unser Bus, der die erste Etappe bewältigte, war eigentlich ein kleiner LKW dessen Pritsche mit einem Dach, Seitenwänden mit offenen Fenstern, vier Sitzbänken in Längsrichtung und Flügeltüren für den Transport von Personen eingerichtet war. Er hatte am Heck eine kleine Plattform.
Als nun alle Sitzplätze belegt waren, begann der jeden Bus begleitende Boy, weitere Passagiere auf die Plattform zu stellen.

Ich wollte nicht glauben, daß diese auf der weiten Fahrt zu unserem Ziel auf dieser Plattform stehen würden, zumal bei diesen unbefestigten Straßen, die mit riesigen Schlaglöchern übersät waren. Dem war auch nicht so.
Der Bus setzte sich in Bewegung, fast bis zur ihm möglichen Höchstgeschwindigkeit von etwa 60 Km/h. Dann stieg der Fahrer voll in die Bremsen, wir Passagiere rutschten aufschreiend auf den Sitzbänken nach vorne, der an solche Aktionen gewöhnte Boy schnappte die sich festklammernden Passagiere auf der Plattform am Kragen, riß die Tür auf und platzierte sie fix auf den durch das Rutschen freigewordenen hinteren Plätzen, schloß schnell wieder die Tür und signalisierte dem Fahrer durch zwei Schläge auf die Karosse, daß alles zur endgültigen Abfahrt bereit sei.

Bei jedem größeren Schlagloch wurden wir von den Sitzen gehoben und meist landete ich wieder auf den harten Beckenknochen meines linken Nachbarn und den gepolsterten meiner rechten Nachbarin, bis ich nach einiger Zeit durch das stete Rütteln der kleineren Schlaglöcher mit meinem Hintern wieder das Holz der Bank erreichte.
Noch wussten wir nicht, daß wir uns in Zentralafrika in dieses Vehikel zurücksehnen würden...

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